In libertären und staatskritischen Kreisen taucht in letzter Zeit immer häufiger ein Name auf: Curtis Yarvin.
Für die einen ist er ein radikaler Querdenker, für andere ein gefährlicher Antidemokrat. Wieder andere sehen in ihm einen wichtigen Diagnostiker unserer Zeit.
Doch wer ist Curtis Yarvin wirklich?
Wie unterscheidet er sich von klassischen libertären Denkern wie Murray Rothbard oder Hans-Hermann Hoppe?
Und wie verhalten sich seine Ideen zu Konzepten wie den Freien Privatstädten von Titus Gebel?
Vor allem aber: Wo stehen wir als Hochkultur?
Curtis Yarvin: Die Illusion der Demokratie
Curtis Yarvin wurde vor allem durch seinen Blog Unqualified Reservations bekannt. Seine zentrale These ist ebenso simpel wie provokant:
Demokratien regieren nicht wirklich durch das Volk –
sie stabilisieren Macht durch moralische Narrative.
Yarvin beschreibt ein informelles Machtzentrum aus Medien, Universitäten, Bürokratien und NGOs, das unabhängig von Wahlergebnissen die Richtung vorgibt. Er nennt dieses Gebilde „die Kathedrale“.
Demokratie, so Yarvin, sei weniger ein Herrschaftssystem als ein Legitimationsritual.
Diese Analyse ist unbequem – aber schwer von der Hand zu weisen.
Gerade nach Corona, Klimapolitik oder NGO-Industrialisierung erkennen viele Menschen intuitiv, dass formale Mitbestimmung oft wenig mit realer Entscheidungsmacht zu tun hat.
Yarvins Lösung: Kleine Einheiten, klare Herrschaft
Interessant wird es dort, wo Yarvin nicht nur analysiert, sondern konstruiert.
Er lehnt große Nationalstaaten ab und spricht stattdessen von:
- vielen kleinen politischen Einheiten
- Stadtstaaten
- konkurrierenden Jurisdiktionen
- Exit durch Wegzug statt politische Teilhabe
Das klingt zunächst erstaunlich nah an libertären Konzepten – und ist der Grund, warum sein Name in entsprechenden Kreisen immer häufiger fällt.
Doch hier liegt der entscheidende Unterschied:
Yarvin denkt diese Einheiten nicht herrschaftsfrei, sondern herrschaftsklar.
Sein Ideal ist eine Stadt oder ein Territorium mit einem eindeutigen Souverän – etwa einem Owner, CEO oder Monarchen –, der effizient regiert und für Ordnung sorgt.
Demokratie wird ersetzt, aber Herrschaft bleibt zentraler Kern.
Rothbard und Hoppe: Freiheit als Eigentumsfrage
Ganz anders argumentieren klassische libertäre Denker wie Murray Rothbard und Hans-Hermann Hoppe.
Für sie ist nicht die Frage entscheidend, wer herrscht, sondern:
Warum überhaupt jemand herrschen darf.
Rothbard formuliert Freiheit radikal vom Individuum und seinem Eigentum her.
Hoppe ergänzt diese Perspektive um Zeitpräferenz, Anreizstrukturen und die Erkenntnis, dass Demokratie systematisch Verantwortungslosigkeit erzeugt.
Beide kommen zu einem ähnlichen Schluss: Der Staat – egal in welcher Form – ist strukturell problematisch, weil er Zwang institutionalisiert.
Der Unterschied zu Yarvin ist fundamental:
Yarvin will bessere Herrschaft
Rothbard und Hoppe wollen weniger Herrschaft
Titus Gebel und die Freien Privatstädte: Ein Übergangsmodell
Mit den Freien Privatstädten versucht Titus Gebel, libertäre Theorie in die Praxis zu überführen.
Sein Ansatz:
Städte werden von privaten Betreibern geführt
Regeln sind vertraglich fixiert, nicht politisch veränderbar
Bewohner können kündigen und gehen
Wettbewerb diszipliniert Macht
Das ist ein wichtiger Unterschied zu Yarvin.
Der Betreiber einer Freien Privatstadt ist kein Souverän, sondern ein Dienstleister, der an Verträge gebunden ist.
Aus Hochkultur-Sicht sind Freie Privatstädte deshalb ein ernstzunehmendes Übergangsmodell:
realistisch
anschlussfähig
weniger ideologisch
deutlich freiheitlicher als klassische Staaten
Aber: Sie bleiben territorial, juristisch eingebettet und letztlich vom globalen Staatensystem abhängig.
Wo Hochkultur steht
Wir teilen mit Yarvin die Diagnose:
Demokratie ist kein Garant für Freiheit
Macht wird verschleiert, nicht kontrolliert
Reformen sind oft Illusion
Wir teilen mit Rothbard und Hoppe die Grundüberzeugung:
Freiheit beginnt beim Eigentum
Zwang ist kein legitimes Organisationsprinzip
Der Staat ist kein neutrales Werkzeug
Und wir sehen in Freien Privatstädten:
einen pragmatischen Zwischenschritt
eine reale Exit-Option für manche
ein Experimentierfeld für neue Ordnungen
Aber wir gehen einen Schritt weiter.
Unser Weg: Exit statt Herrschaft – Protokolle statt Politik
Aus Hochkultur-Sicht liegt die Zukunft nicht in:
großen Staaten
vielen kleinen Staaten
oder besser organisierten Herrschern
Sondern in Strukturen, die Herrschaft überflüssig machen.
Technologien wie Bitcoin zeigen, dass Eigentum, Kooperation und Ordnung ohne zentrale Autorität funktionieren können – nicht als Ideologie, sondern als Protokoll.
In Verbindung mit:
lokaler Landwirtschaft
regionaler Wertschöpfung
Bildung außerhalb staatlicher Systeme
freiwilligen Gemeinschaften
entstehen reale Exit-Strukturen – leise, parallel, ohne Revolution.
Fazit
Curtis Yarvin ist ein wichtiger Denker unserer Zeit – als Diagnostiker, nicht als Architekt.
Rothbard und Hoppe liefern das freiheitliche Fundament.
Freie Privatstädte sind ein möglicher Übergang.
Doch Hochkultur setzt nicht auf neue Herrschaftsmodelle, sondern auf Lebensmodelle jenseits von Herrschaft.
Nicht der bessere Staat ist die Antwort.
Sondern die Fähigkeit, ohne Staat zu leben.


