Es gibt dieses kleine, anonym veröffentlichte Buch, Der kommende Aufstand. Ein Klassiker der alten Linken, eine Art Handbuch für den Aufruhr gegen zentralisierte Staaten. Darin findet sich eine Erkenntnis, die heute aktueller ist als je zuvor: Man kann einen zentralistischen Staat nicht frontal angreifen. Wer etwas verändern will, muss an der kommunalen Ebene ansetzen. Denn wer die Rathäuser kontrolliert, kontrolliert das Land.
Diese Einsicht, ursprünglich revolutionär und links, trifft heute exakt das, was libertäre Denker sagen: Die wahre Macht liegt nicht in Berlin oder Brüssel – sie liegt in deiner Gemeinde. Und genau deshalb wird diese Ebene seit Jahren systematisch geschwächt.
Kommunen sind für zentralisierte Systeme gefährlich, weil sie funktionieren könnten – besser, schneller und näher am Menschen als jede übergeordnete Verwaltung. Kommunen kennen ihre Betriebe, ihre Familien, ihre Schwächen und ihre Stärken. Sie sind der Ort, an dem Realität stattfindet, während der Zentralstaat in seiner eigenen Abstraktion lebt.
Und genau diese Stärke soll gebrochen werden.
Nicht durch offene Konfrontation, sondern durch zwei schleichende Prozesse: Bürokratisierung und finanzielle Austrocknung.
Der erste Angriff erfolgt über Bürokratie. Seit Jahren werden Kommunen mit neuen Auflagen überzogen, mit Formularen, Richtlinien, EU-Vorgaben, Kontrollmechanismen und Digitalisierungszwängen, die sie nie bestellt haben. Ihre Zeit fließt in Berichte, ihre Ressourcen in Verwaltung, ihre Energie in Compliance. Es bleibt kaum Spielraum für eigenes Handeln.
Der zweite Angriff ist tiefer und wirksamer: die systematische Zerstörung des Mittelstands.
Denn Kommunen leben zu einem großen Teil von der Gewerbesteuer – tatsächlich ist sie ihre wichtigste Einnahmequelle. Ohne funktionierende lokale Unternehmen gibt es kein kommunales Budget, keine Autonomie und keine Kraft, eigene Entscheidungen zu treffen. Die Gewerbesteuer ist die Lebensader des Rathauses.
Doch genau diese Lebensader wird seit Jahren durchtrennt.
Der Mittelstand wird erdrückt durch Bürokratie, überrollt von Regulierung, stranguliert durch steigende Energiepreise, erdrückt von Lohnnebenkosten, ESG-Auflagen und dauerhaften Unsicherheiten. Es ist eine Spirale, die kaum ein Betrieb lange übersteht. Die Folge: Insolvenzen, Betriebsaufgaben, leere Innenstädte – und ausgetrocknete kommunale Kassen.
Wenn die Gewerbesteuer verschwindet, verschwindet die kommunale Freiheit.
Die Gemeinden müssen dann beim Bund und der EU um Geld betteln. Und wer die Geldquelle kontrolliert, kontrolliert die Entscheidungen. Kommunen werden zu reinen Ausführungsorganen degradiert: Sie dürfen verwalten, was andere ihnen vorschreiben. Beamte in weit entfernten Behörden bestimmen dann über das Leben der Menschen vor Ort – über Dinge, die sie nie gesehen, nie erlebt und nie verstanden haben.
Dabei wissen die Kommunen es besser. Sie könnten pragmatisch handeln, flexibel reagieren, echte Lösungen finden. Sie könnten das, was große Politik nie kann: Wirksamkeit.
Und genau hier beginnt die Ironie:
Die alte Linke wollte die Rathäuser stürmen, um den Staat zu stürzen.
Der moderne Libertarismus erkennt, dass man die Rathäuser nicht stürmen muss – man muss sie befreien.
Die Kommune ist die natürliche Form einer Freien Privatstadt. Sie ist klein genug für Mitsprache, groß genug für Infrastruktur, nah genug am Menschen und weit genug weg vom Zentralstaat, um wirklich etwas Neues auszuprobieren. Und wir haben heute Werkzeuge, die früheren Generationen fehlten: Bitcoin, Lightning, digitale Parallelökonomien, freie Bildungs- und Gesundheitsmodelle, Bürgerverträge, Open-Source-Governance und lokale Finanzierungsmechanismen wie RGB oder Cashu.
Wenn Kommunen beginnen, diese Werkzeuge zu nutzen, entstehen neue Räume der Autonomie – nicht durch Gewalt, sondern durch Innovation. Nicht durch Umsturz, sondern durch Evolution.
Ein Europa der 1000 Liechtensteins entsteht nicht durch Revolution, sondern durch das stille Wiederentdecken der kommunalen Selbstbestimmung. Wenn Kommunen erkennen, dass sie nicht Opfer sind, sondern Ursprung, dann lösen sich zentralistische Strukturen nicht durch Kampf auf, sondern durch Bedeutungslosigkeit.
Der kommende Aufstand ist kein Aufstand gegen etwas, sondern ein Aufstand für etwas: für lokale Souveränität, für funktionierende Freiheit, für lebendige Selbstverwaltung.
Und er beginnt nicht in Berlin.
Er beginnt im Rathaus.


